Aufgaben/Organisation
Der Beschluss des Politbüros der SED über "die neue Rolle und den zweckmäßigsten Aufbau des Banksystems unter den Bedingungen der 2. Etappe des neuen ökonomischen Systems, insbesondere über die Beziehungen zwischen den Banken und Betrieben" vom 28. Februar 1967 und ein entsprechender Beschluss des Ministerrates der DDR vom 05. April 1967 gaben den Anstoß für eine umfassende Bankenreform in der DDR. Das einstufige Bankensystem wurde durch ein zweistufiges ersetzt, aus der bisherigen Deutschen Notenbank und der Deutschen Investitionsbank entstanden die Staatsbank der DDR und die Industrie- und Handelsbank (IHB). [1]
Die IHB begann ihre Tätigkeit zum 01. Januar 1968 auf der Grundlage des Beschlusses des Ministerrates der DDR vom 13. Dezember 1967. Sie übernahm die Geschäftsbankfunktion und alle Niederlassungen der Deutschen Notenbank mit den von ihnen genutzten Grundstücken, Gebäuden und Inventar. [2] Darüber hinaus fungierte die IHB als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Investitionsbank, deren Aktiva und Passiva auf sie übergingen. [3]
Aufgaben, Rechte und Pflichten sowie Leitung und Organisation der IHB regelte das vom Ministerrat der DDR am 13. Dezember 1967 festgelegte Statut. [4]
Als zentrales Organ des Ministerrates der DDR war die IHB Geschäftsbank für Betriebe und wirtschaftsleitende Organe der Industrie, des Bauwesens, des Handels, des Verkehrs und bis Oktober 1968 [5] auch der Nahrungsgüterwirtschaft. Sie arbeitete nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung.
Die IHB trug die Verantwortung für die Durchführung des Kredit-, Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs volkseigener Betriebe, Betriebe anderer Eigentumsformen einschließlich sozialistischer Genossenschaften, wirtschaftsleitender sowie staatlicher Organe und Einrichtungen und gesellschaftlicher Organisationen, soweit nicht andere Kreditinstitute zuständig waren. Sie führte spezielle staatliche Kontrollaufgaben durch, insbesondere auf dem Investitionsgebiet und hinsichtlich der planmäßigen und termingerechten Gewinnabführung an den Staatshaushalt.
In den sogenannten Betrieben mit staatlicher Beteiligung nahm die IHB die Funktion des staatlichen Gesellschafters wahr, wenn dies nicht durch einen VEB, VVB oder durch andere Einrichtungen erfolgte. [6] Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen über das Schuldbuch der DDR führte sie in dafür bestimmten Schuldbuchstellen Teilschuldbücher. Die IHB übernahm die Rechte und Pflichten aus den ihr in Rechtsträgerschaft oder zur Verwaltung übertragenen ausländischen Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmungen sowie aus gewerblichen Schutzrechten. [7] Sie überwachte Forderungen, die ihr in Rechtsträgerschaft oder zur Verwaltung übertragen wurden, führte Konten von nicht in der DDR ansässigen Kontoinhabern weiter und nahm Meldungen von außerhalb der DDR belegenen Vermögenswerten entgegen. Darüber hinaus war die IHB berechtigt, Wertpapiere zu kaufen, zu verkaufen, Depotgeschäfte durchzuführen und Aufgaben auf dem Gebiet des Reisezahlungsverkehrs wahrzunehmen.
Die IHB wurde von einem Präsidenten geleitet, der vom Vorsitzenden des Ministerrates berufen bzw. abberufen wurde. Als erster Präsident fungierte Karl Kaiser. Sein Nachfolger im Amt wurde ab 1969 der vorherige Vizepräsident Hans Taut.
Den Aufgaben der IHB entsprach auch die innere Struktur und Organisation der Zentraldirektion. Über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens gliederte sie sich in folgende Hauptarbeitsgebiete: [8]
  • Bereich 1: Planung und Grundsatzaufgaben
  • Bereich 2: Finanzierung und Finanzkontrolle Industrie
  • Bereich 3: Finanzierung und Finanzkontrolle Bauwesen
  • Bereich 4: Finanzierung und Finanzkontrolle Handel und sonstige Wirtschaft
  • Bereich 5: Organisation und Zahlungsverkehr
Darüber hinaus unterstanden dem Präsidenten direkt das Sekretariat einschließlich der Sachgebiete Recht, Beschlussstelle und Presse, die Kontrollgruppe sowie die Abteilung Kader und Schulung. Der Vizepräsident trug die Verantwortung für die Abteilungen Innenkontrolle und Elektronische Datenverarbeitung.
Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterhielt die IHB Bezirksdirektionen und Kreisfilialen sowie Industriebankfilialen. Die Bezirksdirektionen hatten gegenüber den Kreisfilialen Anleitungsfunktion, leiteten und koordinierten betriebswirtschaftliche Prüfungen und stellten den örtlichen Staatsorganen auf der Grundlage der Kontrollergebnisse Informationen über die Entwicklung in einzelnen Industriezweigen bereit. Sie waren einbezogen in die Ausarbeitung und Durchführung der Perspektivpläne im Bezirk. Direkter Gesprächspartner der Betriebe im Zusammenhang mit der Beantragung und der Ausreichung von Krediten waren die Kreisfilialen.
Die Struktur der Bezirksdirektionen und Kreisfilialen orientierte sich an der Organisation der Zentraldirektion.
Die Trennung der Emissionsbank- und der Geschäftsbankfunktion und ihre Wahrnehmung durch zwei verschiedene Banken bewährte sich in der Praxis nicht. Die Staatsbank der DDR erhielt im zweistufigen Bankensystem eine noch größere Distanz zur Wirtschaft. Die von ihr erlassenen Grundsätze, Richtlinien und Verordnungen wurden zunehmend als realitätsfern eingeschätzt.
Dementsprechend wurde auf Beschluss des Ministerrates der DDR vom 06. Juni 1974 die IHB einschließlich ihrer Niederlassungen in den Bezirken und Kreisen mit Wirkung vom 01. Juli 1974 in die Staatsbank der DDR eingegliedert. [9]
[1] Siehe BArch, DN 6 / 3441 und 3643
[2] Die Deutsche Notenbank wurde in "Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik" umbenannt und konzentrierte sich auf die Verwirklichung ihrer Aufgaben als Emissionsbank. Siehe BArch, DN 6 ebd.
[3] Siehe BArch, DN 9 / 32
[4] Vgl. GBl. der DDR 1968, Teil II, Nr. 2 vom 04. Jan. 1968, S. 9ff
[5] Siehe BArch, DN 9 / 809
[6] Ab 1972 war die IHB ausführende Bank bei der Durchsetzung der Beschlüsse des Politbüros des ZK der SED und des Ministerrates der DDR zur Beseitigung des privaten Sektors der Wirtschaft der DDR.
[7] Aufgabenerledigung erfolgte entsprechend der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR vom 06. Sept. 1951. Vgl. GBl. der DDR 1951, Nr. 111 vom 15. Sept. 1951, S. 839f
[8] Siehe BArch, DN 9 / 339 und 341
[9] Siehe BArch, DC 20 / I/4 - 3085
Inhaltliche Charakterisierung
Das im Bundesarchiv verwahrte Schriftgut der Industrie- und Handelsbank umfasst ausschließlich Unterlagen, die in der Zentraldirektion der Bank entstanden sind.
Zeitlich schwerpunktmäßig erstreckt sich die Überlieferung des Bestandes auf die Jahre 1968-1974, einige Archivalien reichen zurück bis 1948. Hierbei handelt es sich um Akten der Deutschen Investitionsbank zu Betrieben mit verwalteten Beteiligungen bzw. um Akten zu staatlichen Beteiligungen an Privatbetrieben, die von der IHB weitergeführt wurden.
Der Bestand bietet eine gute Quellengrundlage zur Erforschung der Wirtschafts- und Industrieentwicklung in der ehemaligen DDR, besonders in Ergänzung der Unterlagen der Deutschen Investitionsbank (DN 3).
In großem Umfang sind Akten zur Finanzierung und Kontrolle der Wirtschaft, geordnet nach Wirtschafts- und Industriebereichen, vorhanden.
Als Überlieferungsschwerpunkte können hier benannt werden:
  • Investitionsvorhaben, Sondervorhaben, Kreditplanung
  • Grundmittelfinanzierung bei Kreditvergabe an Betriebe mit ausländischen Vermögensanteilen bzw. an Betriebe, die gänzlich in ausländischem Besitz waren, sogenannte verwaltete Betriebe (Treuhandblock). Die Akten können zur Klärung offener Vermögensfragen herangezogen werden. Die Aussagefähigkeit der einzelnen Vorgänge ist unterschiedlich. Oftmals enthalten sie Grundbuchauszüge, Erörterungen zu den Vermögensverhältnissen von 1948 und Angaben zu den Aktienanteilen des ausländischen Vermögensanteils.
  • Verwaltung von Betrieben mit staatlicher Beteiligung, Beseitigung des privaten Sektors der Wirtschaft der DDR durch die vollständige Verstaatlichung der bis dahin halbstaatlichen Betriebe. Die Meldungen der Bezirksdirektionen an die Zentraldirektion sind wesentliche Quellen sowohl für die wirtschaftsgeschichtliche Forschung als auch für Recherchen im Einzelfall zur Klärung von Vermögensfragen. Im wesentlichen waren Betriebe der Leichtindustrie betroffen.
  • Erwerb von Grundstücken der Betriebe mit staatlicher Beteiligung durch volkseigene Rechtsträger
Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt bilden die Akten der Klassifikationsgruppe Planung und Analyse. Hervorzuheben sind die Unterlagen zur Finanz- und Kreditplanung der Bank und zur Kontrolle des betrieblichen Reproduktionsprozesses. Ebenso die Analysen und Berichte der Zentraldirektion und der Bezirksdirektionen zu einzelnen Kernfragen der volkseigenen und privaten Wirtschaft.
Die Überlieferung des Leitungsbereiches belegt die Arbeitsbeziehungen der IHB, v.a. zum Ministerrat der DDR, zum Ministerium der Finanzen und zu anderen Banken.
Die zahlreich vorhandenen Handakten des ersten Präsidenten, Karl Kaiser, geben Einblicke in die Arbeitsweise der IHB.
Darüber hinaus sind im Bestand dokumentiert:
  • Anwendung der EDV in verschiedenen Bereichen der Bankarbeit
  • Schriftwechsel zu sogenannten Altbanken (1945 geschlossenen Banken)
  • Entwicklung des Reisezahlungsverkehrs
  • Einzug von Altforderungen
  • EDV-gerechte Erfassung der Eigentumsrechte an Wertpapieren der 1945 geschlossenen Banken
Bestandsgeschichte
Im September 1992 gelangte das Schriftgut der IHB mit einem Umfang von ca. 52 lfm aus der Staatsbank Berlin in das Bundesarchiv. Im Verwaltungsarchiv der Staatsbank Berlin bzw. der Staatsbank der DDR [1] war zuvor, in Zusammenarbeit mit dem Zentralen Staatsarchiv Potsdam, ab Oktober 1990 mit dem Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam, die Bewertung und Erschließung der Akten nach den "Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätzen der DDR" [2] (OVG) erfolgt.
Als Findmittel wurde eine Findkartei übergeben. Ebenso Ablieferungsverzeichnisse die, wie dem Bearbeitungsbericht von 1992 zu entnehmen ist, die Abgaben von Schriftgut an das Verwaltungsarchiv seit November 1969 belegen. Ab Juni 1974 erfolgten umfangreiche Abgaben von Archiv- und Schriftgut aus den aktenführenden Stellen. Bis 1982 waren nur noch vereinzelte Zugänge zu verzeichnen.
Bei der Aktenbildung kam der Aktenplan der IHB nur geringfügig zur Anwendung. Aktenplannummern wurden zu einem großen Teil nachträglich im Zuge technischer Arbeiten im Verwaltungsarchiv hinzugefügt. Für die Ordnung des Bestandes bzw. der Findkartei blieben sie ohne Berücksichtigung. Während der Bearbeitung des Archivgutes entstand eine an der Organisation und den Aufgaben der IHB orientierte sachthematische Kartei.
Unterschiedliche Ablage- und Ordnungsgrundsätze kennzeichneten die innere Ordnung der Akten. Zur Anwendung kamen sowohl die kaufmännische, als auch die Buchablage.
Neben zahlreichen Sachakten waren auch Korrespondenzakten vorhanden. Darüber hinaus gab es die Ablage nach Schriftstückarten und Handakten des Präsidenten.
[1] Mit der Eingliederung der IHB in die Staatsbank der DDR im Jahr 1974 war das Schriftgut der IHB in den Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsarchivs der Staatsbank der DDR übergegangen.
[2] "Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätze der DDR" herausgegeben von der Staatlichen Archivverwaltung im Ministerium des Innern, Potsdam 1964
Archivische Bearbeitung
Für die Erstellung des vorliegenden Findbuches wurde die sachliche Klassifikation der Findkartei nur teilweise übernommen. Aus den vorhandenen fünf Klassifikationsgruppen entstanden zehn Hauptgruppen mit entsprechenden Untergruppen. Die damit verbundene bessere Übersichtlichkeit soll der Benutzungserleichterung dienen. Innerhalb der Klassifikationsgruppen erfolgte eine chronologische Reihung der Aktenbände.
Mit der Übertragung der Verzeichnungsangaben des Bestandes DN 9 in die IT-Datenbank Basys-S des Bundesarchivs wurde im Oktober 2006 unter Mitwirkung des Azubis im 3. Ausbildungsjahr, Mirko Grauer, begonnen. Im Zuge dieses Arbeitsschrittes erfolgte die redaktionelle Überarbeitung der bisherigen Findkartei, insbesondere Korrekturen an der Titelbildung und Kürzungen der Enthält-Vermerke.
Zeitgleich wurden Bandfolgen oder Serien archivisch gebildet, die Verzeichnungseinheiten klassifiziert und Index-Begriffe für einen Sach-, einen Orts- und einen Personenindex vergeben.
Zehn Akten mit der Provenienz IHB wurden mit Hilfe des IT-Systems neuverzeichnet. Sie stammten aus der Bearbeitung der Bestände Deutsche Notenbank (DN 6) und Staatsbank der DDR (DN 10).
Fremdprovenienzen der Deutschen Investitionsbank und der Deutschen Notenbank (35 Akten) waren bereits Ende der 90er Jahre aus dem Bestand DN 9 herausgelöst und in die entsprechenden Überlieferungen im Bundesarchiv eingeordnet worden. In der Datenbank ist der Verbleib der Akten über das Bewertungsergebnis "Transfer" nachgewiesen.
Ohne Hinweis fehlen 17 Akten im Bestand DN 9. Eine Klärung konnte bisher nicht herbeigeführt werden. In der Datenbank wurden die Archivalien als nicht klassifiziert mit dem Zusatz "fehlt ohne Hinweis" hinterlegt.
Kassationsvorschläge ergaben sich während der Bearbeitung nicht.
Im Ergebnis gehören zum Bestand nunmehr 973 Archivalieneinheiten mit einem Umfang von ca. 53 lfm Archivgut. Auf Grund der Aussonderung von Fremdprovenienzen ergeben sich Lücken in der Signaturenfolge.
Überlieferungsverweis
Aus dem Bereich der Abteilung DDR des Bundesarchivs sind als Ergänzung zur Überlieferung der IHB folgende Bestände heranzuziehen:
Staatsbank der DDR (DN 10)

Ministerium der Finanzen (DN 1)

Ministerrat der DDR (DC 20)

Ministerium für Schwerindustrie (DG 2)
Ministerium für Maschinenbau der DDR (DG 3)
Ministerium für Leichtindustrie der DDR (DG 4)
sowie Überlieferungen weiterer Industrieministerien.
Außerhalb des Bundesarchivs ist auf das Schriftgut der Bezirksdirektionen und Kreisfilialen der IHB zu verweisen, das sich in den territorial zuständigen Landesarchiven befinden sollte.
Bibliografie
Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, Band 93. Deutsche Investitionsbank, Bestand DN 3. Bearbeitet von Evelyn Grünspek. Koblenz 2002.
Grünspek, Evelyn: Banken als Instrument des Staates: Wert und Aussagekraft von Bankunterlagen in der Überlieferung der DDR. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv. Heft 3/1995
Hummel, Detlev: Geschichte der Bankwirtschaft der DDR von 1945 - 1989. Potsdam 1997
Zitierweise
Langfassung: Bundesarchiv, DN 9 Industrie- und Handelsbank /... ; Kurzfassung: BArch DN 9 /...
Endprovenienz: Industrie- und Handelsbank
Vorprovenienz: Deutsche Investitionsbank
Bestandsart: Schriftgut
Umfang: 52 lfd. m
Bereitstellendes Archiv: Bundesarchiv
Benutzungsort: Berlin-Lichterfelde